Erdbewegungen: Aspekte einer Geschichte der Landschaftsumformung seit dem 19. Jahrhundert

Freie Universität Berlin

Organisatorisches

Kurstyp
HS
Semester
SoSe 2023
Standort
Koser 20 A 127
SWS
2
Start
Rhythmus
wöchentlich
Tag
Di
Zeit
10-12
E-Mail
paul.nolte@fu-berlin.de

Details

Menschen bewegen Erde: um einen Tunnel zu bauen, einen Fluss zu begradigen oder einen Kanal zu bauen, um an wertvolle Rohstoffe zu kommen wie Erze oder Kohle. Auch da, wo „unsichtbar“ in die Tiefe gegraben wird, wie im Steinkohlebergbau des Ruhrgebiets, verändert sich die Landschaft, durch Verkehrswege, aber auch durch künstliche Gebirge wie Abraumhalden. In der Moderne sind Erdbewegungen zu technischen Großprojekten geworden, die ein komplexes Wissen voraussetzen. Sie sind Gegenstand von Konflikten, nicht erst im frühen 21. Jahrhundert wie im Streit um den rheinischen Braunkohletagebau, sondern bei näherem Hinsehen schon viel früher. Menschen haben von Erdbewegungen profitiert, sie waren von ihnen betroffen, sie haben darunter gelitten. Das Thema steht also im Schnittpunkt verschiedener Forschungsinteressen: der Landschafts- und Umweltgeschichte, der Geschichte von Energie und Infrastrukturen, der Wissens-, Wissenschafts- und Technikgeschichte, der Politik-, Kultur- und Erfahrungsgeschichte. In dem Seminar erschließen wir dieses „emerging field“ mit der Lektüre wichtiger Texte und der Arbeit an Beispielen, die (je nach Ihren Interessen und Möglichkeiten) auch in eigene Forschung hineinführen kann. Prinzipiell ist das Thema weltumspannend; pragmatisch schauen wir vorzugsweise auf Erdbewegungen in Mitteleuropa. Dazu gehört auch eine historische Befragung der Berliner Landschaft: etwa der innerstädtischen Kanäle des mittleren 19. Jahrhunderts, der am Ende des 19. Jahrhunderts künstlich angelegten Seen in Berlin-Grunewald (Koenigssee, Dianasee) oder der Trümmerberge des Zweiten Weltkriegs (Teufelsberg, Insulaner).

Literature

Hansjörg Küster, Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa. Von der Eiszeit bis zur Gegenwart, München 1995; Simon Schama, Landscape and Memory, New York 1995 (dt.: Der Traum von der Wildnis. Natur als Imagination, München 1996); David Blackbourn, The Conquest of Nature: Water, Landscape, and the Making of Modern Germany, New York 2006; Eike-Christian Heine, Vom großen Graben. Die Geschichte des Nord-Ostsee-Kanals, Berlin 2015; Dirk van Laak, Weiße Elefanten. Anspruch und Scheitern technischer Großprojekte im 20. Jahrhundert, Stuttgart 1999; David Gugerli (Hg.), Vermessene Landschaften. Kulturgeschichte und technische Praxis im 19. und 20. Jahrhundert, Zürich 1999; Martin Meiske, Die Geburt des Geoengineerings. Großbauprojekte in der Frühphase des Anthropozäns, Göttingen 2021; Franz-Josef Brüggemeier, Grubengold. Das Zeitalter der Kohle von 1750 bis heute, München 2018.