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Was genau der ‚Fall‘ ist, hat in den letzten Jahren vor allem im Bereich der Wissenschaftsgeschichte und -theorie, aber auch der literaturwissenschaftlichen Forschung zunehmend an Interesse gewonnen. Das liegt nicht nur in der Relevanz von Fallstudien für verschiedene Disziplinen begründet, sondern auch und gerade in der narrativen Vermitteltheit von Fällen als Fallgeschichten. Insofern handelt es sich bei der Fallgeschichte um eine Textsorte, die seit jeher zwischen Wissenschaft und Literatur angesiedelt ist. Der Ausdruck ‚Fallgeschichte‘ etabliert sich erst im Laufe des 20. Jahrhunderts als Bezeichnung für eine Textsorte, wird seither allerdings auch rückwirkend auf eine Vielzahl von Texten angewandt. Gemeinsam ist diesen Texten das Berichten oder Erzählen eines (Vor-)Falls. Wie unterschiedlich das ausfallen kann, zeigen auch die bisherigen theoretischen Auseinandersetzungen mit Fällen und Fallgeschichten. Als besonders einschlägig kann Michel Foucaults Ansatz genannt werden. Foucault stellt in seinen Studien Die Geburt der Klinik (1963) und Überwachen und Strafen (1975) fest, dass das moderne Individuum ausgehend vom humanwissenschaftlichen Diskurs um 1800 gerade als Fall konstituiert wird. Vor dem Hintergrund dieses und weiterer theoretischer Ansätze werden wir uns im Seminar sowohl faktualen als auch fiktionalen Fallgeschichten zuwenden, um die Darstellung von Fällen im medizinischen, juristischen und psychologischen Kontext seit dem Beginn der Moderne zu erkunden. Besonders die dezidiert literarischen Texte können uns hierbei viel Aufschluss geben, weil in diesen die eigene Textanlage und Darstellungsweise bereits früh reflektiert wird.