Akademisches Exzellenzstreben. Überlegungen der kritischen Exzellenzforschung

Humboldt-Universität zu Berlin

Organisatorisches

Kurstyp
SE
Semester
SoSe 2024
Standort
SO 22, 0.03
SWS
2
Start
Tag
Mi
Zeit
12-16
Anmeldung
Maximal 40 Teilnehmer_Innen
E-Mail
julia.koehne@culture.hu-berlin.de

Details

In akademischen Kontexten zirkulieren heute mehr denn je multiple Begriffe und Vorstellungen von Exzellenz, Exklusivität und Brillanz, die einen Status des Herausragenden anzeigen sollen. Aber was hat Wissenschaft mit majestätischen Exzellenzen, kostbaren Brillanten oder Orientierung spendenden Leuchttürmen zu tun? Und wie wirken sich die allgegenwärtigen Rhetoriken und Politiken der Aufwertung auf die Entwicklung von Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen aus? Inwiefern beeinflusst das Streben nach Machtfülle in der Forschungsförderung die Auseinandersetzung über Wissensinhalte? Die omnipräsente Rede von Elite-, Prestige- und Exzellenzuniversitäten, von Exzellenzinitiativen, -clustern und -strategien, Bestenauslese, von Spitzen- und Höhenkammforschung sowie vom Zukunftskonzept hat die Positionierung und Wahrnehmung der bundesrepublikanischen Universitäten in den letzten beiden Jahrzehnten in Bewegung gebracht. Es ist Zeit für eine selbstkritische Reflexion und Evaluation dieser neuen politischen Entwicklungen im Hochschulsystem. Das Seminar hinterfragt die Bedingungen, Kriterien und Erkennungsmerkmale für Exzellenz, die je nach Zusammenhang als Eintrittsbedingung, Status Quo oder Zielvorstellung adressiert wird. Suggestive Exzellenzrhetoriken und andere idealisierende Selbstbeschreibungsformeln in der deutschen Forschungslandschaft werden auf ihre kulturhistorischen Einschlüsse, medialen Aufbereitungen und aktuellen Wirkweisen hin abgetastet. An welche wissenschaftshistorischen Vorläufer, symbolisch und metaphorologisch vermittelten Implikationen, schließen sie an? Und welche wissenschaftspolitischen Effekte zeitigen sie? Inwiefern spiegelt der heutige Exzellenzkult zum Beispiel Elemente des Genie- und Persönlichkeitskults der Geisteswissenschaften oder der Intelligenz- und Hochbegabtenforschung um 1900 (vgl. u.a. H. St. Chamberlain, E. Kretschmer, J. Hirsch, W. Ostwald, W. Stern, E. Zilsel)? Was kann aus diesem historischen Vergleichsfall für eine kritische Reflexion des heutigen Sprechens in Superlativen gewonnen werden? Als Untersuchungsmaterial dienen neben historischen und rezenten Theorietexten (historische Semantik, Geniologie, Metaphorologie, Begabtenpsychologie, Exzellenz- und Hochschulbildungsforschung) aktuelle Fach- und Förderantragssprachen sowie Feuilletonartikel, Hochschulzeitschriften, Bilder (z.B. Karikaturen), Science-Ausstellungen und filmische Dokumentationen; zudem werden Interviews mit Hochschulforschenden und anderen Expert*innen einbezogen. Hierbei sind kultur- und wissenschaftshistorische, kulturwissenschaftliche, (elite-)soziologische, psychologische und epistemologische Fragestellungen kritischer Hochschulbildungs- und Exzellenzforschung relevant, inklusive ihrer medialen Verhandlung und geschlechtergeschichtlichen Rahmung. Es wird beispielsweise gefragt, wie das Studium an einer Eliteuniversität den Studierendenalltag verändert, in welchem Verhältnis Exzellenzierung und andere Mechanismen der (Selbst-)Aufwertung zu pressierenden Struktur- und Finanzproblemen von Hochschulen stehen (z.B. Prekarisierung des Mittelbaus/#IchBinHanna, Fixierung auf Drittmittelakquise) und ob durch das Exzellenzlabel institutionelle Phantasie und intellektuelle Gestaltungsfreiräume zunehmen.