Wie kommt das Neue in die Welt? Über neues Wissen, alte Denkmuster und strukturelle Veränderungen
Vor 100 Jahre erhielt Emmy Noether als erste Mathematikerin und erste Frau in Preußen die Lehrbefugnis an einer Universität. Es hatte dreier Anläufe und eines politischen Systemwechsels bedurft, bis Noethers Antrag auf Habilitation 1919 positiv entschieden wurde. Der hindernisreiche Weg der Mathematikerin, die auch nach ihrer Habilitation im akademischen System marginalisiert wurde, veranschaulicht exemplarisch die androzentrische Verfasstheit der Bildungsinstitution Universität.
Trotz aller Hürden gelang es Noether, eine eigene mathematische Schule aufzubauen und neue grundlegende Wissensvorstellungen zu etablieren. Ihre Methoden und ihr mathematisches Verständnis führten zu neuen Wissenskonzepten nicht nur in der Algebra, sondern auch in der Mathematik in ihrer Gesamtheit. Mit ihrer Habilitationsschrift löste Noether zentrale mathematische Probleme der allgemeinen Relativitätstheorie. Wie andere jüdische Wissenschaftlerinnen verfolgte Noether ihren Erkenntnisdrang ungeachtet gesellschaftlicher Diskriminierung und Marginalisierung. Infolge der nationalsozialistischen Ausgrenzung jüdischer WissenschaftlerInnen aus dem deutschen Universitätssystem emigrierte sie 1933 in die USA, um ihre Arbeit fortzuführen. Dafür blieb Emmy Noether nur wenig Zeit; 1935 starb sie im Alter von 53 Jahren an den Folgen einer Operation.
Anlässlich des 100. Jubiläums ihrer Habilitation beleuchtet die interdisziplinäre Fachkonferenz aus mathematischer, physikalischer, wissenschaftstheoretischer und ‑historischer Perspektive die Bedeutung Noethers bis in die Gegenwart. Sie erkundet den Stellenwert Noethers für die mathematische und physikalische Wissensproduktion. Darüber hinaus nimmt sie Diskriminierungsmechanismen in den Blick, mit denen Emmy Noether als Frau jüdischer Herkunft im deutschen Wissenschaftssystem konfrontiert war, und fragt weitergehend nach der Vergeschlechtlichung der Mathematik wie auch der Universität damals und heute.