Kolloquium Wissenschaftsgeschichte

Vertextete Welt: Leonardo Olschki und sein Entwurf einer „nuova filologia“

Datum
18:15 Uhr
Ort
TU Berlin, Straße des 17. Juni 135, Raum H 3013
Vortragende Person(en)
Vanessa Kayling (Aachen)

In meinem Vortrag stelle ich den Forschungsansatz des jüdischen Romanisten und Orientalisten Leonardo Olschki (1885-1961) vor, um ihn als vielversprechend und zukunftsweisend für die interdisziplinäre Zusam- menarbeit zu erweisen. Olschki vertritt eine „neue Philologie“ insofern, als er eine auf der Analyse von Facht- exten beruhende Annäherung von Geistes-und Naturwissenschaft sowie von Literatur-und Sprachwissen- schaft aus philologischer Perspektive entwirft. In seiner Geschichte der neusprachlichen wissenschaftlichen Literatur betrachtet Olschki naturwissenschaftliche Werke aus philologischer Perspektive, deren Autoren sich erstmalig ihrer Muttersprache anstelle des Lateinischen bedienten und sich so von der scholastischen Tradi- tion emanzipierten. Mit den bahnbrechenden Entdeckungen der Renaissance ging speziell im naturwissen- schaftlichen Bereich eine Weiterentwicklung und Aktualisierung der Muttersprache einher, die zu einem zeit- gemäßen Medium avancierte, um das wissenschaftliche „Neuland“ mündlich wie schriftlich adäquat wieder- zugeben. Im Sinne einer Fortsetzung von Olschkis Werk untersuche ich neusprachliche wissenschaftliche Texte verschiedener Jahrhunderte und Fachbereiche,um zu demonstrieren, wie es den Autoren gelang, eine Fachsprache zu entwickeln und zu etablieren, bei der es sich um die Volkssprache ihrer Zeit handelte. Mit der Würdigung und Fortsetzung von Olschkis Methode kann zugleich ein Forschungsdesiderat erfüllt und ein Stück Wissenschaftsgeschichte aufgearbeitet werden.