Workshop

Goethe um 1900

Datum
10:00 Uhr
Ort
Zentrum für Literatur- und Kulturforschung, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Etage

Ende des 19. Jahrhunderts wird Goethe zunehmend zum zentralen Autor der
deutschen Literatur. Die Leserschaft steigt, zahlreiche Freundeskreise entstehen, die Goethephilologie floriert. Auch gibt es wichtige Texte von Philosophen und Kritikern, sogar von Naturwissenschaftlern, in denen Goethe in
den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückt. Dabei wird die Figur ›Goethe‹ zum einen Gegenstand kultureller Identifikation, zum anderen aber auch epistemologisch paradigmatisch für die Verbindung historischer und morphologischer Methoden und für die Suche nach einem Zusammenhang des ›Lebens‹, der auch die Beziehungen zwischen den Wissenschaften rekonfigurieren soll.
Der Workshop will die diskurspolitischen und epistemologischen Implikationen dieser doppelten Goethe-Konjunktur diskutieren. Die leitende These ist dabei die, dass der Figur Goethes und der mit Goethe assoziierten Semantik des ›Lebens‹, der ›Form‹, des ›Individuums‹ usw. für die sich formierenden Diskurse der ›Geisteswissenschaften‹ eine konstitutive Bedeutung zukommt. Zu fragen ist
in erster Linie, ob ›Goethe‹ hier nur als Pathosformel zitiert wird, um die Metareflexion der Wissenschaft zum Stillstand zu bringen, oder ob solche Denkfiguren sich als reflexiv produktiv erweisen. Vermittelt über die Figur
Goethes – über Goethe-Lektüren, Goethe-Adaptionen, Goethe-Bilder – soll damit auch die epistemologische Situation der Geistes- und Kulturwissenschaft um 1900 schärfer erkennbar werden. Dies nicht zuletzt angesichts ihrer Aktualität hinsichtlich gegenwärtiger Verhandlungen über die Rolle von Geistes- und Kulturwissenschaften in der Wissensgesellschaft und angesichts neuer
Deutungsansprüche der sog. ›Lebenswissenschaften‹.