Das Medizinhistorische Museum – ein Kind der "Wende"
Spurensuche im Museum mit Thomas Schnalke
Moderation: Judith Hahn
Ende 1989 geriet die Charité, seinerzeit das Flaggschiff des ostdeutschen Gesundheitswesens, in unruhiges Fahrwasser. Der allgemeine Umbruch, je nach Perspektive „Revolution“, „Wende“ oder „Transformation“ genannt, traf die traditionsreiche Einrichtung in Berlins Mitte auf besondere Weise. 1991 stand, in einer Welle der massenmedialen Skandalisierung, sogar ihre Existenz zur Debatte. Was in den wenigen Jahren nach dem Mauerfall an der Charité und um sie herum geschah, erzählen manche als Erfolgsgeschichte von Entideologisierung und Anschluss an eine hochleistungsfähige westliche Gesundheitsversorgung. Andere betonen die Verlustgeschichte von personellem und institutionellem Kahlschlag, vom Umkippen der selbst erkämpften Revolution in ein Gefühl weitgehender Ohnmacht. Wieder andere sehen vor allem die verpassten Chancen, in einer offenen Situation etwas Drittes jenseits von dirigistischem Gesundheitswesen und marktorientierter Gesundheitsökonomie auf die Beine zu stellen.
Mit einer Kombination aus wissenschaftlichen Vorträgen und Gesprächen mit Zeitzeug:innen und Erkundungen vor Ort nimmt die Ringvorlesung Verlauf und Folgen dieser Phase des Umbruchs aus verschiedenen Perspektiven in den Blick mit dem Ziel, einen Auftakt für weiterführende Forschungen und Debatten zu liefern. Dabei geht es sowohl um Entscheidungsprozesse in der Verwaltungsspitze der Charité und Weichenstellungen seitens der Politik, um Runde Tische, ein Museumsprojekt, den Rudolf-Virchow-Bund und die so bezeichnete Integritätsprüfung, aber auch um Veränderungen im ganz normalen Alltag von Menschen an einer Universitätsklinik.