Anfangsgründe: Aitiologisches Erzählen in Mythos, Literatur und Wissenschaft
Raum 2.2051
Fabeckstraße 23-25
14195 Berlin
Das Konzept der Aitiologie bezeichnet in der altertumswissenschaftlichen Mythen- und Erzählforschung ein relativ begrenztes narratologisches Muster: die nachträgliche Erfindung eines Anfangs, eines Ursprungs, eines Grundes oder einer Begründung für etwas in der Gegenwart Vorhandenes – einen Kult, einen Namen, einen Baum etc. Wenn auch viele sogenannte aitiologische Mythen nicht zum panhellenischen und über die Antike hinaus wirksamen Reservoir der antiken Mythen gehören, sondern ihre Bedeutung häufig eher in einem lokalen Kontext gewinnen, so lohnt es doch nach der kulturellen Praxis zu fragen, die ihnen zugrunde liegt. Aitiologien verbinden in irritierender Weise den Anspruch auf Historizität mit dem Moment der Fiktion, den Gestus des Beglaubigens und Legitimierens mit dem Potential der Pluralität, schließlich die Inszenierung von Kontinuität mit der Diagnose des Bruchs oder des Sprungs.