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Ein wissenschaftlicher Text wird zu einem Referenztext, wenn die Praxis des Kommentierens – als spezifischer Modus der Wissensproduktion – auf ihn angewandt wird. In der Wissenschaft
des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit bezogen sich wissenschaftliche Kommentare überwiegend auf antike und spätantike Referenztexte. Ab dem 14. Jahrhundert jedoch wurden zunehmend auch spätmittelalterliche Texte kommentiert, insbesondere wenn diese im universitären Kontext entstanden waren. Dabei wurden nicht alle Texte zu Referenztexten – lediglich einige wenige erhielten diesen Status, oft im Wettbewerb mit anderen, ebenso würdigen Alternativen. Nach einer einführenden Betrachtung der Praxis des wissenschaftlichen Kommentierens wird das Seminar anhand konkreter Beispiele untersuchen, wie ein spätmittelalterlicher Text zum Referenztext wurde. Im Fokus stehen die komplexen Verflechtungen zwischen dem Inhalt eines Textes, seiner institutionellen Einbettung und seiner praktischen Verwendung. Zudem werden die Beziehungen zwischen Wissenszirkulation und Wissenstransformation analysiert. Ziel ist es, die Mechanismen zu verstehen, durch die ein wissenschaftlicher Text im Allgemeinen die Funktion eines Referenztextes zugewiesen bekommt.
Das Seminar bietet eine tiefgehende Auseinandersetzung mit der Dynamik und Bedeutung des Kommentierens in der Geschichte der Wissenschaften.