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Die feministische Historikerin Ann Laura Stoler hat die frühen Kolonien als „Labore der Moderne“ bezeichnet – Labore, aus denen heraus auch moderne Episteme von „rassischer“ Ordnung und weißer Hegemonie entstanden sind. Die Casta-Bilder Nueva Españas bilden einen singulären visuellen Verweis auf diese Formierungsgeschichte als ästhetische Praxen im Resonanzraum hybrider kolonialer Kulturen. Von kreolischen Künstlern im heutigen Mexiko zwischen 1711 und 1800 produziert, fluktuieren sie zwischen Barock, Rokoko, Frühklassizismus und ethnologischer Abbildung. Somit sind sie an der Schnittstelle von Wissenspraxen der entstehenden europäischen Wissenschaften vom Menschen und ästhetischen Darstellungsweisen in der Kunst zu verorten. Zu untersuchen ist ihre Rolle in der transatlantischen Bild- und Wissenszirkulation, die inhärente Logik ihrer Taxonomie, und die Perspektiven der Maler und Adressaten zwischen „Alter“ und „Neuer“ Welt. Das Seminar nähert sich dem Themenkomplex der Casta-Gemälde einerseits in einer Auseinandersetzung mit der Theorie und Geschichte vormoderner Abbildungen des „Anderen“ anhand aktueller postkolonialer Theorien u.a. von Homi K. Bhaba. Andererseits werden die Castas-Bilder auch in einer wissenschaftshistorischen Perspektive als Schauplätze der Entwicklung des Wissens vom Menschen und rassistischen Epistemologien untersucht. Hier dienen Texte von Michel Foucault, Lorraine Daston und Peter Galison zum Zusammenhang von Bildpraktiken und Wissensordnungen als gemeinsames Diskussionsmaterial. Zum Abschluss des Seminars soll anhand dieser Bilder und Materialien die Rolle außereuropäischer Kunst in der Kunsttheorie des 20. und 21. Jahrhunderts zur Diskussion gestellt werden.