Eugenik, Rassenbiologie, Genetik.Geschichte und Nachleben des KWI für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik 1927-1960
Das MPIMG entstand Anfang der 1960er Jahre aus den Restbeständen des Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik (KWIA). Wie keine andere Institution steht das KWIA heute für die Legitimation und Mitgestaltung der nationalsozialistischen Rassen- und Bevölkerungspolitik durch die biomedizinische Wissenschaft. Aber was bedeutete in diesem Zusammenhang Wissenschaft? Konnten Genetik und Humanbiologie unter den Bedingungen des NS-Regimes in etwas anderem bestehen als in der propagandistischen Verbreitung rassenideologischer Glaubenssätze und der praktischen Unterstützung rassenhygienischer Maßnahmen?
Um diesen Fragen nachzugehen, wird der Vortrag nicht allein die politische Rolle des KWIA im NS-System, sondern vor allem die wissenschaftliche Praxis des Instituts thematisieren. Dabei werden die hier vor und nach 1933 verfolgten Themen und Projekte im Kontext der damaligen internationalen Entwicklung der Humangenetik dieser Zeit betrachtet. Es soll erörtert werden, inwiefern die Forschungen des KWIA die Gestaltung der NS-Rassenhygiene beeinflussten und wie sie sich unter dem Eindruck einer sich radikalisierenden rassenpolitischen Praxis veränderten. Abschließend soll anhand der Auseinandersetzungen, die nach 1945 um das Erbe des KWIA entbrannten, gezeigt werden, welche unterschiedlichen Konsequenzen deutsche Humangenetiker aus der nationalsozialistischen Erfahrung zogen.