Kolonialgeschichte Hören

Humboldt-Universität zu Berlin

Information

Course Type
SE
Semester
SoSe 2024
Location
PH12-H03, 118
SWS
2
Start
Day
Do
Time
12-14
Registration
Maximal 20 Teilnehmer_Innen

Details

Das Lautarchiv stellt eine weltweit einzigartige Audiosammlung dar, die u.a. aus Tonaufnahmen des Ersten Weltkrieges besteht. Sie entstanden in deutschen Kriegsgefangenlagern, wobei sich die Soldaten in einer prekären Zwangssituation befanden. Es ist nicht nachvollziehbar, inwiefern die aufgezeichneten Personen ihr Einverständnis zur Aufzeichnung gegeben haben. Daher ist ein sensibler Umgang mit der Sammlung unabdingbar. Ursprünglich wurden die Aufnahmen für phonetische und linguistische Forschungszwecke angefertigt. Dabei standen sprachwissenschaftliche Erkenntnisse und das Sammeln von möglichst vielen Sprachen im Vordergrund. Aktuelle kulturwissenschaftliche und historische Forschungen zum Lautarchiv befassen sich vermehrt mit den Inhalten des Gesagten und ihrer Bedeutung. Das Seminar soll einen Einstieg in zwei zentrale Forschungsansätze zu den Kriegsgefangenenaufnahmen bieten. Im Fokus stehen ca. 450 Aufnahmen, deren Sprecher aus afrikanischen Ländern stammten. Grundlage für die Auseinandersetzung mit den Tonaufnahmen sind die Arbeiten von Anette Hoffmann und Britta Lange. Sie haben das Konzept des „close listening“ entwickelt. Hierbei werden alle hörbaren Aspekte wie Stimme(n), Pausen und Hintergrundgeräusche interpretiert. Das Seminar lädt Teilnehmende dazu ein, sich kritisch mit der Methodik und Praxis des Hörens zu befassen: Wo sind etwaige Schwachstellen in der gegenwärtigen archivalischen Dokumentation? Was haben die Gefangenen tatsächlich gesagt? Wie kann Unausgesprochenes greifbar gemacht werden? Was passiert, wenn die Stimmen des Archivs in der Gegenwart zum Leben erwachen? Die Fragen nach Resozialisation, Repatriierung/-matriierung und Restitution soll im Hinblick auf Theorie und Praxis diskutiert werden.

Literature

Hoffmann, Anette (2020): Kolonialgeschichte Hören: das Echo gewaltsamer Wissensproduktion in historischen Tondokumenten aus dem südlichen Afrika. Mandelbaum Verlag: Berlin. Hoffmann, Anette (2023): Listening to Colonial History. Echoes of Coercive Knowledge Production in Historical Sound Recordings from Southern Africa. Basler Afrika Bibliographien: Basel. Lange, Britta (2019): Gefangene Stimmen. Tonaufnahmen von Kriegsgefangenen aus dem Lautarchiv 1915–1918. Kulturverlag Kadmos: Berlin. Lange, Britta (2022): Captured Voices. Sound Recordings of Prisoners of War from the Sound Archive 1915–1918. Kulturverlag Kadmos: Berlin.