Organisatorisches
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Zukunft hat eine Geschichte – und eine Gegenwart, auf die sie strukturierend einwirkt. So hat die Moderne prognostischprobabilistische Kulturtechniken des Temporalen hervorgebracht, mit denen sie Vergangenheiten konstruiert und die zukünftige Gegenwart gegenwärtig zu beeinflussen sucht. Beispiele hierfür sind präventierende, optimierende oder auch therapeutisierende Praktiken und Diskurse. Derartige moderne Praktik/Diskurs-Formationen generieren dabei sehr verschiedene Vergangenheiten und Zukünfte (und damit Gegenwarten): Vergangenheit als zwingende Vorgeschichte des Gegenwärtigen und Zukunft als aufgeklärtvernünftiger, linearer Prozess mit einem Telos, dessen quasi-natürliche Vervollkommnung vor Gefahren und Risiken zu bewahren ist; als fortschrittlich-industriell-technischer Prozess, der mit Gefahren und Risiken rechnet und sie in und mit kybernetischen Systemen zu managen sucht; und schließlich erscheint Zukunft seit den 1970er Jahren zunehmend als katastrophisch, so dass Gefahren und Risiken ein nicht mehr handhabbares apokalyptisches Ausmaß annehmen, auf das mensch sich gegenwärtig vorbereiten soll(te); Vergangenheiten werden derweil zunehmend nostalgisch aufgewertet. Mit solcherlei Kulturtechniken wollen wir uns im Seminar auseinandersetzen. Dazu wenden wir uns sowohl grundsätzlich der Kulturalität von Zeit(lichkeit) zu als auch speziell modernen Zeitregimen und ihren wandelnden Konzeptionen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf spätmodernen Zeitregimen, wie z.B. „rasender Stillstand“, „soziale Beschleunigung“, „Prävention“ oder „Nostalgie“. Die Termine der Veranstaltung werden im Mai 2020 bekanntgegeben. Teilnahmevoraussetzungen: Bereitschaft zur Lektüre langer Texte, Neugier an der Welt und Zweifel am Bestehenden.
Norbert Elias: Über die Zeit. Arbeiten zur Wissenssoziologie II , Frankfurt/Main: Suhrkamp 1987; Hartmut Rosa: Beschleunigung. Die Veränderung der Zeitstrukturen in der Moderne , Frankfurt/Main: Suhrkamp 2005; Ulrich Bröckling: »Vorbeugen ist besser… Zur Soziologie der Prävention«, in: Behemoth. A Journal on Civilisation 1 (2008), S. 38-48; Andreas Reckwitz: »Zukunftspraktiken – Die Zeitlichkeit des Sozialen und die Krise der modernen Rationalisierungen der Zukunft«, in: Frank Becker et al. (Hg.), Die Ungewissheit des Zukünftigen. Kontingenz in der Geschichte, Frankfurt/Main: Campus 2016, S. 31-54.