Dr. Burkhardt Wolf
Organisatorisches
Details
Als ein „nicht-stabiles Ensemble von Sprache, Instrumentalität und Geste“ wurde von Rüdiger Campe die „Schreibszene“ definiert. Mit diesem Begriff sind jene Dimensionen des Schreibens aufgerufen, die die Forschung der letzten Jahrzehnte bevorzugt herausgearbeitet hat: der körperliche und performative Aspekt, der neben der bloßen Schrift die Operationalität und Prozessualität des Schreibens selbst sichtbar macht und der (etwa mit Blick auf die neuzeitliche Pädagogik, Autobiographik oder Graphologie) das Themenfeld einer „Anthropologie des Schreibens“ eröffnet hat; der mediale Aspekt, der das Schreiben mit unterschiedlichen skripturalen Formaten (von Skizzen, Notizen oder Handschriften über Tabellen, Zettelkästen oder Datenbanken bis hin zu den diversen Publikationsorganen) verbindet, es aber auch als Modell medientechnischer Innovation (etwa in Mareys „graphischer Methode“) erscheinen lässt; der sprachlich reflexive Aspekt, der das „epistemische Schreiben“ der Wissenschaften ebenso umfassen kann wie die selbstbezüglichen Poetiken einer sich als Schreibprodukt ausstellenden Literatur; schließlich der kulturelle Aspekt, der das Schreiben als eine labile Technik und Praktik begreifbar macht, die im Zeitalter der Handschrift, des Buchdrucks oder der Digitalität völlig unterschiedlichen Bedingungen untersteht. Das Seminar wird sich unter diesen Vorzeichen mit neueren Theorien des Schreibens auseinandersetzen, es soll Einblicke in die Schreibwerkstätten etlicher Autoren (etwa Schopenhauer, Arno Schmidt, Blumenberg, Luhmann) gewähren und schließlich diverse „Schreibszenen“ untersuchen, in denen die Literatur ihre eigene Gewordenheit zu reflektieren sucht.
Anmeldung und Übernahme eines Kurzreferats in der ersten Sitzung. Voraussichtlich wird das Seminar zunächst im üblichen Wochenrhythmus, gegen Ende des Jahres dann in Form zweier Blocktermine stattfinden.
Rüdiger Campe: Die Schreibszene, Schreiben. In: Hans Ulrich Gumbrecht und K. Ludwig Pfeiffer (Hg.): Paradoxien, Dissonanzen, Zusammenbrüche. Situationen offener Epistemologie. Frankfurt a.M. 1991. S. 759-772.