Anti/Vax. 150 Jahre Impfkritik

Humboldt-Universität zu Berlin

Organisatorisches

Kurstyp
UE
Semester
SoSe 2021
Standort
Online
SWS
2
Start
Rhythmus
wöchentlich
Tag
Mi
Zeit
16-18
E-Mail
susanne.schmidt@hu-berlin.de

Details

Auf den ersten Blick erscheint die Geschichte des Impfens als Erfolgsgeschichte der Medizin: Ausrottung der Pocken, Zurückdrängung von Mumps, Masern, Polio und Diphterie – und auch im Kontext der Corona-Pandemie sind Vakzine Hoffnungsträger. Freilich waren Impfungen nie bloß wissenschaftliche und technologische Wundermittel („magic bullet“), sondern immer auch politische und moralische Gegenstände. Die Übung widmet sich der Geschichte von Impfkritik und Impfskepsis als einer Schnittstelle von Wissenschaft, Ethik und Protest. Wir untersuchen die vielfältigen Erscheinungsformen und Beweggründe für Vorbehalte gegenüber Impfungen, die etwa liberal oder klassenpolitisch, feministisch, verschwörungstheoretisch und auch medizinisch motiviert sein konnten. In den Impfdebatten des 19. und 20. Jahrhunderts wurden die Rolle des Staates, die Freiheit des Individuums und das Recht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit verhandelt; dabei stand Impfkritik in einem dynamischen Verhältnis zu medizinischem Wissen und sich verändernden Konzeptionen von Krankheit. Die Übung setzt sich mit der komplexen Geschichte von Humanwissenschaft und sozialer Ordnung auseinander, sie fragt nach dem Verhältnis von Individuum und Öffentlichkeit und bietet nicht zuletzt Gelegenheit zur Einübung und Entwicklung einer historischen, empirisch fundierten Perspektive auf ein besonders politisiertes, emotional und moralisch aufgeladenes Thema. Wir widmen uns der modernen Impfkritik als einem internationalen Phänomen, mit Fokus auf die Geschichte Deutschlands, Großbritanniens und der USA sowie mit Einblicken in kolonial- und globalgeschichtliche Zusammenhänge. Einen Schwerpunkt bilden die Massenproteste gegen Pockenimpfungen in England (ca. 1853–1907). Die Bereitschaft zur Lektüre englischsprachiger Fachliteratur wird vorausgesetzt.

Literature

Eine anregende Einführung bietet Eula Biss, On Immunity (dt.: Immun , 2016).Nadja Durbachs Bodily Matters (2004) wird zur Anschaffung empfohlen. Siehe außerdem auch Malte Thießen, Immunisierte Gesellschaft (2017).